Was ist den Wendländern nicht schon alles unterstellt worden? In neuerer Zeit: Wir seien „ebenso stur wie pleite“.*
Viel älter und bekannter (und seltsam beliebt) ist aber wohl das Zitat, das den Hiesigen einen besonderen Hang zum „fressen und sauffen“ unterstellt:
„… ihre meiste Andacht ist sauffen; sagen öffentlich, wo sie ihre erwehlete Festage nicht feyreten, daß ist freßen und söffen, hetten Sie und ihr Vieh kein glück. … je hoher fest, je mehr tonnen [Bier]…“
Soweit die Erkenntnisse von Joachim Hildebrand, Ober-Superintendent von Lüneburg-Celle, aus dem Jahre 1671 über die wendländischen Bauern.**
Diese Unterstellungen, gerne weitergetragen ohne jegliche Quellenkritik („ebenso stur wie pleite“ – das schreibt ein Uelzener. Hallo?!), gehen mir ja so was von auf den Keks. Aber wenn ich sehe, wie sich mein Blog heimlich-still-und-leise zum Kochblog entwickelt, muß ich eingestehen: Es ist alles wahr. Ja, (fr)essen ist toll. Da geht nichts drüber. Außer schlafen vielleicht.
Darum gibt es heute mal wieder etwas zum Essen / zum Kochen. Immerhin sehe ich zu, dass das, was ich hier an Rezepten vorstelle, zumindest irgendwie/am Rande/ein bißchen mit dem Wendland zu tun hat. Das ist die mir selbst gestellte Bedingung.
Heute gab es mal wieder Kugelis. Dieser litauische Kartoffelkuchen, den mein Opa Erich ins Wendland und in die Familie mitgebracht hat, funktioniert auch in einer rein pflanzlichen Variante.
Das ursprüngliche Rezept habe ich kaum abgewandelt. Anstelle der Kuhmilch im Ursprungsrezept habe ich Cashewmilch verwendet und die Eier durch Kichererbsenmehl mit ein wenig Wasser ersetzt. Und ich habe die Kartoffeln noch durch Pastinaken und eine Mohrrübe ergänzt.
Die Zutaten
2 Pastinaken, 1 Mohrrübe und Kartoffeln (insgesamt ca. 1 kg)
1 Handvoll Cashewnüsse
1 große Tasse Wasser
3 gestrichene EL Kichererbsenmehl (Soja- oder Hanfmehl soll genausogut funktionieren)
6 EL Wasser
1 Zwiebel
1 Lauchstange
Öl für die Form
Salz, Pfeffer
Die Cashewnüsse eine Stunde (oder über Nacht) in Wasser einweichen, sie dann zusammen mit dem Einweichwasser im Mixer zu Cashewmilch pürieren. Aus dem Kichererbsenmehl mit etwas Wasser eine Art “Ei” anrühren.
Links die blütenrein-weiße Cashewmilch, rechts das Kichererbsen-Ei, das – was für eine Überraschung – verquirlter Sägespäne ähnelt.
Kartoffeln, Pastinaken und die Möhre fein raspeln.
Reine Handarbeit
Zwiebeln in Würfel und Lauchstange in feine Ringe schneiden und in ein wenig Öl kurz andünsten. Alle Zutaten vermengen und kräftig mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Kugelis, bevor es in den Ofen kommt.
In eine gefettete Auflaufform geben, glatt streichen und etwa eine Stunde bei 200 Grad backen bis die Oberfläche leicht gebräunt ist.
Und so sieht das fertige Kugelis aus.
Irgendwie ist dieses Gericht ziemlich häßlich. Darum auch der bunte Salat daneben und das Glas Rosé dahinter. Gedacht als ästhetische Ablenkungsmanöver.
Und geschmacklich? Keine kulinarische Offenbarung, aber durchaus etwas für “alle Tage”. Beim nächsten Mal backe ich das Ganze aber besser auf einem tiefen Backblech – das gibt mehr schöne Kruste.
* „…ebenso stur wie pleite…“: Diese Aussage über den „Kreis, den keiner will“ (so die treffende Headline des Beitrags) stammt von einem Redakteur der Allgemeinen Zeitung Uelzen.
** Wer mehr über die Hintergründe des beliebten fressen-und-sauffen-Zitats wissen will, wird auf den Seiten des Heimatkundlichen Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg (HALD) fündig: Hier!kann man einen verschriftlichen Kurzvortrag zum Thema herunterladen.
„Wendland spezial“ – entdeckt im Kochbuch „24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung“
Wenn ein Gericht „Wendland spezial“ heißt, komme ich natürlich nicht drum herum, es nachzukochen. Und ich unterbreche dafür sogar meinen Blog-Winterschlaf.
Dabei scheint das Gericht mit dem Wendland in erster Näherung nicht allzu viel zu tun zu haben: nicht die Zutaten, nicht die Zubereitungsweise. Allein: Der Erfinder des Gerichts war in der Vergangenheit häufiger im Wendland unterwegs und hat hier gekocht. Die Umstände, unter denen er seine Mahlzeiten normalerweise auf den Tisch bringt, sind allerdings besonders. So schreibt er zur Herstellung von Kartoffelpüree:
„Wenn die Kartoffeln gar sind, kommt die schwerste Arbeit – das Stampfen. Mit einem normalen Küchenstampfer kommt man bei den Mengen natürlich nicht weit. Du musst also ein geeignetes Werkzeug suchen oder bauen. (Bewährt haben sich Zaunpfosten, 1 Meter lang und 15 cm im Durchmesser).“
Wie bitte? Genau: Dieser Koch kocht in der Regel für eine große Anzahl von Menschen, oft einige Hundert, im Wendland auch gerne einmal einige Tausend.
Der Wendland-spezial-Erfinder heißt Wam Kat, ist Niederländer und unter anderem Mitbegründer des Kollektivs „Rampenplan“. Seit rund 30 Jahren kocht er insbesondere bei Großdemos – und in der Vergangenheit immer wieder auch bei den Castor-Transporten ins Wendland. Sein Buch „Wam Kat’s 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung“, das ich mir vor Kurzem zugelegt habe, ist eine eigenwillige Mischung aus Autobiographie und vegetarisch/veganem Kochbuch und liefert gleichermaßen kenntnisreich wie unterhaltsam Einblicke in verschiedene soziale Bewegungen.
Wam Kats „24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung“ – erscheinen bei orange press
Jetzt aber erst einmal zu „Wendland spezial“: Traditionell besteht es aus Kartoffelpüree, gebackenem Fenchel und Salat. „Wenn du das gegessen hast, bist du so satt, dass du nie wieder aufstehen willst.“ meint Wam Kat. Hilfreich bei Sitzblockaden. Das leuchtet ein.
Die Hauptzutaten für „Wendland spezial“: Fenchel, Süßkartoffeln, grüne Bohnen
In seinem Kochbuch bietet er eine „sophisticated version“ seines Wendland spezials: mit Süßkartoffeln statt Kartoffeln und mit grünen Bohnen und Tomaten. Bei mir kam noch eine gute Handvoll Cashewnüsse hinzu, die ich eine gute Stunde vorher in ein wenig Wasser eingeweicht hatte.
Auf den von ihm vorgeschlagenen Salat aus Wildkräutern habe ich verzichtet. Wegen der Jahreszeit. Und auch, weil ich mit drei Töpfen auf dem Herd die Grenzen meiner Multitaskingfähigkeiten eindeutig erreicht hatte. Wie machen das nur die Volxküchen, die deutlich größere Mengen an Waren zu besorgen, zu lagern, zu schnippeln, zu verarbeiten und zu servieren haben? Rein logistisch, meine ich. Es ist mir ein Rätsel.
blachierter Fenchel
Anders als im Rezept angegeben habe ich den Fenchel nicht roh paniert, sondern vorher kurz blanchiert. Die Panade habe ich laut Rezept aus 4 Esslöffeln Sojamilch, 1 Esslöffel Mehl, 1 Teelöffel Paprikapulver und einer ordentlichen Prise Salz angerührt.
Sehen aus wie kleine Säugetiere, denen man Kopf und Füße abgehackt hat – sind aber Fenchelhälften.
Kurz paniert und wenige Minuten von beiden Seiten in heißem Öl ausgebraten.
Fenchel in der Pfanne
Die grünen Bohnen (drei Hände voll) habe ich in ein wenig Salzwasser soweit gegart, dass sie noch knackig waren. Vor lauter Eifer habe ich dabei erstens vergessen, ein Foto zu machen und zweitens die Lust verloren, allzu genau im Rezept nachzulesen. Was jetzt folgt, ist also nur teils Original-Wam-Kat, teils ist es Frei-Schnauze. In einer Pfanne 1 Zwiebel und 1 Knoblauchzehe (klein geschnitten natürlich) in ein wenig Olivenöl andünsten, mit einem Schuß Rotweinessig ablöschen, 1 Teelöffel Thymian dazu sowie eine Handvoll geviertelte Kirschtomaten. Einige Minuten schmurgeln lassen, dann die Bohnen dazugeben, noch einmal eine Weile schmurgeln lassen. Petersilie , Salz und Pfeffer und ein wenig Zitronensaft dazu, fertig.
Süßkartoffeln mit Cashew-Sahne: Stampfen!
Die Süßkartoffel (ein recht großes Exemplar) habe ich in Gemüsebrühe gegart, die Brühe anschließend abgegossen. Die eingeweichten Cashewnüsse habe ich zusammen mit dem Wasser im Mixer zu „Cashew-Sahne“ verarbeitet (geht im Zweifelsfall auch mit dem Pürierstab) und zu den Süßkartoffeln gegeben. Dann, klar, war Stampfen angesagt. Abschmecken mit Salz, Pfeffer, Muskat.
Dinner is prepared
Lecker. Nahrhaft. Sättigend.
Andere Gerichte in Wam Kats Kochbuch heißen „Friedensburger“ (mit rein pflanzlicher Mayo und selbstgemachten Ketchup) oder „Sitzblockade“ (Kartoffelpüree mit Endiviensalat) und stehen schon auf meiner Liste für die nächsten Kochaktionen. Zunächst aber will ich mich in all das Wissenswerte vertiefen, das das Buch neben den reinen Kochrezepten liefert. Kann Essen die Welt verändern? Wam Kat meint: Ja.
„Ich kann mich ärgern, bin aber nicht dazu verpflichtet.“
Unbekannt
Um meine im Urlaub erlangte Gemütsruhe auch im Arbeitsalltag, der ab morgen wieder beginnt, möglichst lange aufrecht zu erhalten, habe ich mir heute einen kleinen Vorrat an Gute-Nerven-Kekse gebacken: mit jeder Menge Muskat, Zimt und Ingwer, Haferflocken, Dinkel und einer Handvoll Walnüssen. Gedacht sind diese Kekse eher als Stärkungsmittel denn als Süßigkeit. Dann sollte ab morgen eigentlich nichts mehr schief gehen.
Gute-Nerven-Kekse: dies sind die Zutaten.
Das Rezept ist eine Mischung aus den sogenannten „Nervenkeksen“ der Benediktinerin und Universalgelehrten Hildegard von Bingen und den „Yoga-Keksen“, die am Ende mancher Sivananda-Yoga-Stunde gerne zur Stärkung geknuspert werden.
Die „Nervenkekse“ der Heiligen Hildegard (einfach mal googeln, im Netz gibt es dazu jede Menge Rezepte) wollte ich längst schon einmal ausprobiert haben. Hauptzutaten sind Dinkel und Muskat. Hildegard schwörte auf Dinkel, die Urform des Weizens, und riet, ihn täglich zu essen. Muskat empfahl sie als universales Mittel gegen Trübsinn, zur Blutreinigung, Entgiftung, bei Ermüdbarkeit, Trägheit, Konzentrationsschwäche, Gehemmtheit und Herzdruck. Und so gab sie zu den Nervenkeksen den Tipp:
„Iss diese oft und alle Bitternis deines Herzens und deiner Gedanken weiten sich, dein Denken wird froh, deine Sinne rein, alle schadhaften Säfte in dir minderer, es gibt guten Saft deinem Blut und macht dich stark.“
Ganz unumstritten sind Hildegard Nervenkekse heute indes nicht, insbesondere wegen der großen Menge an Muskat. Denn dieser kann in größeren Mengen berauschend wirken. Heutige Empfehlungen lauten, als Erwachsener nicht mehr als vier oder fünf Kekse am Tag essen. Es sei denn, man möchte Englein sehen.
Im Unterschied zu den klassischen Nervenkeksen kommen zu meinen Gute-Nerven-Kekse noch Walnüsse und Haferflocken (Eiweiss-Power!) hinzu.
Kneten!
Die trockenen Zutaten und das Öl vermengen und bis zu 200 ml Hafermilch (alternativ: Kuhmilch oder Wasser) hinzugeben, bis der Teig die gewünschte Konsistenz hat.
*
Mit einem Löffel kleine Berge aufs Blech häufen und zu mehr oder weniger attraktiven Keksen formen. Insgesamt ergibt die Teigmenge 12 Kekse mit ungefähr 10 cm Durchmesser. Im auf 200 Grad vorgeheizten Backofen backen, bis die Kekse sich am Rand goldbraun färben – dauert etwa 12 bis 15 Minuten.
*
Zugegeben: Schönheitswettbewerbe lassen sich mit diesen Keksen nicht gewinnen. Sie sehen seeeehr gesund aus, schmecken aber gut: leicht würzig und nicht so süß. Könnten durchaus auch mal als Frühstücksersatz herhalten.
Wer sich fragt, was das in dem Bild oben für eine seltsame Tasse ist, bei der man von oben durch den Henkel gucken kann: Eine solche Tasse mit diesem ungewöhnlichen waagerecht angebrachten Henkel hat man bei archäologischen Grabungen am früheren Schloss- bzw. Burgplatz in Lüchow entdeckt. Eine hiesige Töpfereihat diese Tasse nachgebildet und bietet sie als „Wendland-Schale“ in verschiedenen Größen und Ausführungen an. Das historische Original ist im – aktuell leider geschlossenen – Museum im Amtsturm Lüchowausgestellt.
Welfenspeise – ein traditionelles Dessert, das helfen kann, die Contenance zu wahren. Ein Rezept dafür gibt es am Ende dieses Beitrags.
Contenance. Contenance. So musste ich mich im Laufe der letzten Arbeitswoche mehr als einmal ermahnen. Ein Möchtegern-Fürst machte mit Vehemenz gewisse Ansprüche geltend.
Anlass für mich, mich heute mal mit ein paar echten Fürsten zu befassen. Immerhin lebe ich seit längerem wieder in dieser Stadt, die für wenig mehr als 66 Jahre Residenzstadt eines “Fürstentums” war: des Fürstentums Dannenberg. Ich weiss erstaunlich wenig über diese historische Episode. Wie kam es zum Fürstentum Dannenberg?
Nach dem Ende der “Grafenzeit” (ca. 1153 bis 1303), in der immerhin die bis heute bestehenden Städte Dannenberg, Hitzacker, Lüchow, Wustrow und Schnackenburg gegründet wurden, muß es in dieser Ecke des Fürstentums Lüneburg über rund 250 Jahre hinweg teilweise ziemlich drunter und drüber gegangen sein. Die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg waren chronisch klamm und so wurden Burgen, Städte und Vogteien wiederholt verpfändet und wanderten von Hand zu Hand. Und überhaupt: Ob es die Herren im fernen Celle überhaupt interessierte, was an den äußeren Rändern ihres Fürstentums vor sich ging?
Berndt Wachter* schreibt über diese Zeit:
„Die wechselvolle Politik dieser Zeit wirkte sich besonders verheerend auf das flache Land aus. Die Streitigkeiten der Starken wurden auf dem Rücken der Schwachen und Abhängigen ausgetragen. Ausführende in diesem Streit waren zumeist die Ritter, die je nach Blickrichtung entweder Streiter für die gerechte Sache und für ihre eigene Unabhängigkeit oder Raubritter, Diebe und Halsabschneider waren.“
Die Wende kam erst 1569. Nach dem Tod von Herzog Ernst I. zu Braunweig-Lüneburg, besser bekannt als Ernst der Bekenner (ja, der hieß nicht zufällig so….Näheres in seinem Wikipedia-Eintrag) managten seine beiden Söhne Wilhelm und Heinrich ab 1559 das Fürstentum Lüneburg zunächst gemeinsam. Heinrich hatte sein Okay gegeben, auf eine standesgemäße Heirat zu verzichten. Allerdings überlegte Heinrich sich das mit der Ehelosigkeit noch mal anders und heiratete 1569 die askanische Herzogtochter Ursula von Sachsen-Lauenburg. Ob aus „Liebe“ oder politischen Kalkül oder weil man ihn selbst übers Ohr gehauen hatte, man weiß es nicht.
Heinrich von Braunschweig-Lüneburg und seine Ehefrau Ursula von Sachsen-Lauenburg auf einer Stammbaum-Zeichnung (Ausschnitt)
So oder so: Heinrich hatte versäumt, das Einverständnis seines kleinen Bruders Wilhelm für diese Heirat einzuholen. Wilhelm war not amused. Es stand Ärger ins Haus.
Eine Möglichkeit wäre gewesen, das Land zu mehr oder weniger gleichen Teilen unter den Brüdern aufzuteilen. Aber Heinrich fand das Regieren wohl schon länger nicht so richtig prickelnd, ging stattdessen lieber auf die Jagd. Statt das Fürstentum zu teilen, spaltete man darum eine Nebenlinie, eine sogenannte Sekundogenitur, ab. Es entstand das „Fürstentum Dannenberg“. Dannenberg wurde Residenzstadt.
Heinrich wurde das, was man einen „apanagierten“ Fürsten nennt. Er erhielt fortan die Einkünfte aus dem Amte Dannenberg und dem Kloster Scharnebeck, später kamen noch die Ämter Hitzacker, Lüchow und Warpke hinzu. Die Möglichkeiten des frischgebackenen Dannenberger Fürsten waren jedoch eher beschränkt: nix da Landesverteidigung, nix da Aussenpolitik. Volle Souveränität hatte er also nicht. Er hatte beispielsweise auch keinen Sitz und keine Stimme im Fürstenrat. Kurz: Er kriegte „Stütze“ und hatte ansonsten nicht allzu viel zu melden.
Heinrich, der unter anderem die Bequemlichkeiten der Celler Residenz gewohnt war, kam also nach Dannenberg – vielleicht zum ersten Mal überhaupt? Was sah er? Nach Michael Reinbold ** war Dannenberg damals nicht mehr als ein Straßensiedlung (ist es heute wesentlich mehr…?):
“Der Ort lag auf mehreren teils natürlichen, teils durch Grabenziehung errichteten Inseln der Jeetzel, die durch einen Bohlendamm miteinander verbunden waren, an dem sich zu beiden Seiten Häuserzeilen bis zur Höhe des Marktes hinzogen. Dort befanden sich das Rathaus sowie die Propsteikirche St. Johannis – letztere ohne Turm, weil die morastige Niederung einen solchen nicht zuließ. […] Ingesamt lag die Stadtbevölkerung bei annähernd 700 Personen. Man lebte vom Handwerk, Leinenhandel und Braugewerbe.“
Der Dannenberger Amtsberg mit dem ehemaligen Burgturm von der Jeetzel-Seite aus: Es fällt bis heute nicht schwer, sich vorzustellen, was für für eine morastig-unwirtliche Ecke das hier vor einigen hundert Jahren war (hier ein Foto aus der zweiten Januar-Woche).
Auf dem heutigen „Amtsberg“ stand bei Heinrichs Ankunft noch die gräfliche Burg mit dem bis heute stehenden mittelalterlichen Waldemarturm, umgeben von Gräben. Heinrich machte sich in den folgenden Jahren daran, die teils maroden Gebäude zu sanieren und weitere Gebäude hinzu zu fügen. Auch der Waldemarturm bekam einen neuen Dachaufbau, der nun weniger wehrhaft-massiv wirkte, sondern dem mehr dekorativen und repräsentativen Zeitgeschmack der Renaissance angepasst war.
Heinrichs Sohn Julius Ernst und später insbesondere dessen jüngerer Brüder August der Jüngere setzen diese Modernierungsarbeiten fort so dass ein geschlossenes Gebäude-Ensemble entstand, das den Schloßplatz umgab. Jenseits des Burgwalles – auf den Jeetzelwiesen – ließ Heinrich außerdem einen großzügen Zier- und Obstgarten anlegen mit einem Sommerhaus und einer Rennbahn, so Michael Reinbold**. Eine Rennbahn? Wer mag da wohl gerannt sein?
Der sich auf den Hinterpfoten aufrichtende „Wetterlöwe“, der bis heute auf dem Dach des Waldemarturms weht, erinnert an die welfische Vergangenheit Dannenbergs.
Heute ist nur noch wenig von der fürstlichen Bautätigkeit übrig, das Residenzschloss wurde bereits zwischen 1710 und 1776 abgerissen. Nur der Kupferstich von Matthäus Merian dem Älteren von 1654 erinnert noch an das „FBL“, was für „Fürstentum Braunschweig-Lüneburg“ steht.
Dannenberg im Merian-Stich von 1654: So ähnlich mag Dannenberg zur „Fürstenzeit“ ausgesehen haben – zum Vergrößern bitte einmal anklicken.
Zwei Brunnen, einer auf dem früheren Innenhof des Schlosses, einer in der heutigen Marschtorstrasse erinnern an Heinrich – sind aber als “Sehenswürdigkeit” eher nicht spektakulär. Auch wenn insbesondere der Brunnen auf dem früheren Schlossplatz „mit grossen Costen verfertiget“ wurde, wie es in entsprechenden Akten heißt. Die Brunnenumrandungen, die auf den Fotos zu sehen sind, sind natürlich moderneren Datums.
Brunnen in der Dannenberger Marschtorstrasse
Wappen am Brunnen in der Dannenberger Marschtorstrasse
Einen weiteren Hinweis auf die Fürstenzeit lässt sich in der St. Johanniskirche entdecken. Seit Heinrich diente die Kirche als fürstliche Grablege. Erhalten hat sich aus dieser Zeit die Grabplatte einer Enkeltochter von Heinrich und Ursula: Anna Sophie starb schon im Kindesalter.
Grabplatte Anna Sophie
Die Grabplatte hängt an der Westwand der Kirche. Die Gebäude, die auf der Grabplatte zu sehen sind, sollen Dannenberg darstellen. Rechts und links neben dem gekreuzigten Christus erkenne ich Zinnen und Türmchen. Aber ich habe etwas Mühe, darin Dannenberg wieder zu erkennen. Vielleicht kann jemand helfen?
Nicht unmittelbar mit der Fürstenfamilie zusammenhängend, aber doch in diese Zeit gehördend, ist der dreiflügelige gotische Altar der Kirche.
Dreiflügeliger Altar in der St. Johanniskirche Dannenberg
Dieses farbenfrohe Kunstwerk mag schon zu Zeiten des Fürstentums Dannenberg an diesem Ort gehangen haben.
Detailansicht des Altars in der Dannenberger St. Johanniskirche
Allerdings befand sich der Altar nicht durchgehend in der Kirche. Auch Kirchengestaltung unterliegt gewissen Moden. Zwischenzeitlich – als eher Klassizistisches angesagt war – hatte man ihn eingemottet, um ihn erst nach umfangreichen Sanierungsarbeiten an der Kirche 1963/1964 wieder hervorzuholen. Mir gefällt der Gedanke, dass vielleicht schon Heinrich und Co. ihn bei der Messe bzw. beim Gottesdienst vor Augen hatten.
Ein letztes Erinnerungsstück kann man am Haus An der Kirche 7 entdecken. Nach Michael Reinbold verkehrten Gelehrte und Künstler am Dannenberger Fürstenhof. Ab 1605 gehörte – gefördert durch Herzog August den Jüngeren – auch der in Lüneburg geborene Johannes Schultz dazu.
An der Kirche 7 erinnert eine Tafal an den Dannenberger Hoforganisten Johannes Schultz.
Johannes Schultz komponierte geistliche wie weltliche Musik. Wie seine Musik klang, kann man in demYoutube-Video unten hören.
Im Vergleich zu anderen fürstlichen Residenzen muß Dannenberg insgesamt jedoch eher bescheiden gewirkt haben. Gerade einmal 30 Amtsträger und Bedienstete waren für das Schloss vorgesehen. Tatsächlich beschäftigte der Dannenberger Hof zumindest zeitweilig kaum annähernd so viele Menschen. Und so beklagte sich Ursula von Dannenberg auch in Briefen an ihren Bruder, der damals Erzbischof von Bremen war, von Herzen über die „Blödigkeit“ ihres Gatten, der wiederholt Personal entließ, und das daraus resultierende „ungemach aus solchem unordentlichem Leben“ (nach Reinbold).
Ja, auch Fürstens haben’s nicht leicht.
Heinrichs Nachfolger Julius Ernst hinterließ keine männlichen Erben. Und nachdem auch dessen Witwe Sybilla verstorben war, fiel Dannenberg an Julius Ernsts jüngeren Bruder Herzog August d. Jüngeren, der damals schon Herzog von Wolfenbüttel war. Damit endete das „Fürstentum Dannenberg“.
Nun aber zu dem Rezept für Welfenspeise, das nicht in Dannenberg, sondern in Hannover erfunden wurde und das auch erst viel später, als die Tages des hiesigen Fürstenstums längst gezählt waren. Das ist mir aber egal.
Welfenspeise
Die Zutatenliste:
Für die weisse Creme:
500 ml Milch (ich nehme beim nächsten Mal vielleicht ein bisschen Sahne dazu…)
40 g Zucker
1 Pck. Bourbon-Vanillezucker
40 g Stärkemehl
4 Eiweiss
Für die gelbe Creme:
4 Eigelb
80 g Zucker
¼ l Weißwein
Saft einer ½ Zitrine
1 getrichener Eßlöffel Stärkemehl
Los geht’s mit der weißen Creme: Hierfür das Stärkemehl in 5 EL der Milch anruhen, die übrige Milch mit dem Zucker zum Kochen bringen, das Stärkemehl dazugeben, kurz aufkochen, Eischnee unter die heiße Creme ziehen und in Gläser füllen. Abkühlen lassen.
Für die Weissweincreme alle Zutaten in einen Topf geben und bei mittlerer Hitze unter kräftigem Schneebesen-Gerühre erhitzen. Kurz aufwallen lassen, vom Herd nehmen, kurz weiterschlagen, bis der Schaum etwas abgekühlt ist. Weinschaum auf die erkaltete weiße Creme gießen und kühl stellen.
* Wachter, Bernd:Aus Dannenberg und seiner Geschichte. Dannenberg (Elbe) 2000
** Reinbold, Michael: Die welfische Sekundogenitur in Dannenberg und Hitzacker (1570-1636). In: Hannoversches Wendland, 13. Jahresheft des Heimatkundlichen Arbeitskreises Lüchow-Dannenberg. Lüchow 1992
Die Hauptzutaten für das heutige Abendessen: Brennnessel und Sauerampfer
Es gibt Gerichte für hohe Feiertage (Wendländische Hochzeitssuppe, Vanillekipferl…) – und es gibt Gerichte für Monatsenden. Heute ist letzteres angesagt. Heute ist der Tag für eine kostengünstige Mahlzeit aus Kühlschrank-Resten und dem, was Mutter Natur so hergibt. In diesem Fall: Brennnessel-Lasagne.
Sechsmal so viel Kalzium wie Kuhmilch, siebenmal so viel Vitamin C wie Orangen und sogar bis zu 40 Prozent Eiweiß, außerdem große Mengen an Silizium, Magnesium, Vitamin A, Eisen: Wieso habe ich bis heute noch nie Brennnesseln gegessen?
In Notzeiten, z. B. in den mageren Nachkriegsjahren, waren Brennnesseln als Frühjahrsgemüse sehr beliebt. Meine Oma Betty hat davon immer geschwärmt. Genauso wie von Löwenzahnsalat mit Gänseblümchen. Aber auf den Tisch kam es – meines Wissens – nie. Bis heute gilt es eher als „Arme-Leute-Essen“. Das Zeug wächst ja nun auch überall – außer in der Antarktis, sagt Wikipedia.
Pfiffige Brennnessel: Zum Schutz vor Frassfeinden (ich bin einer davon) hat die Brennnessel fiese Brennhaare entwickelt – hier im Gegenlicht gut zu erkennen.
Der Geschmack von Brennnesseln soll sehr spinatähnlich sein, hatte ich gelesen. Ich liebe Spinat in allen Variationen. Warum also nicht auch diesem Allerweltsgemüse einmal eine Chance geben?
Anders als Rüdiger Nehberg, den ich neulich in der Glotze mit bloßen Händen Brennnesseln habe ausrupfen sehen, um sich im Wald aus Ästen und Brennnessel-Strünken einen Unterschlupf zu klöppeln, hatte ich für die Ernte ein paar Gummihandschuhe dabei.
***
Dummerweise hatte ich vergessen, dass Brennnessel ein klassisches Frühlingsgemüse ist. Ich musste darum ziemlich lange suchen, bis ich genügend Brennnessel gefunden hatte, die noch nicht blühte und noch nicht von Käfern zerfressen war. Außerdem kommen nur die ganz jungen zarten Blatttriebe zum Verzehr infrage. Ich war froh, als ich am Feldrand auch noch ein wenig Sauerampfer entdeckte. Mit zwei Händen voll Sauerampfer konnte ich meine magere Brennnessel-Ernte ein wenig strecken. Mit einem knapp gefüllten Fünf-Liter-Eimer ganz junger Blatttriebe kam ich nachhause.
Fünf Brennnessel-Blätter in der Hand zu halten, soll helfen, frei von Furcht und bei kühlem Verstand zu bleiben. Man kann’s ja mal probieren.
Die Blätter habe ich gewaschen und mit den Händen ordentlich durchgewalkt. Angeblich soll sich das Problem mit den Brennhaaren dann ruckzuck erledigen. Da ich aber ein Schisser bin, habe ich die Handschuhe auch zum weiteren Kleinschnippeln lieber anbehalten.
Das Rezept für die Brennnessel-Lasagne habe ich aus dem Kochbuch „Greenbox“ von Tim Mälzer entliehen. Im Original ist es das Rezept „Brokkoli-Canneloni mit scharfer Tomatensauce“.
Die Zutaten:
Olivenöl
1 Zwiebel
1 Teelöffel Thymian
1 kleiner Eimer voll junger Brennnessel-Triebe und Sauerampfer-Blätter
2 ordentliche Esslössel Quark
1 Ei
9 Lasagne-Platten
Salz, Pfeffer, Muskat
1 kleine Dose Tomaten
1 getrocknete Chili-Schote
Oregano
1 Mozzarella
Zwiebel in Olivenöl andünsten, die klein geschnittenen Brennnesseln und den Sauerampfer sowie den Thymian dazu geben und mit ein wenig Wasser gar dünsten. Etwas abkühlen lassen. Das Brennnessel-Gemüse mit dem Quark und dem Ei vermengen und mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.
Abwechselnd Lasagne-Platten, Brennesseln, Lasagne-Platten, Brennnesseln und Lasagne-Platten in eine Auflaufform schichten. Obendrauf die Dosentomaten geben. Mit Salz, Oregano und der Chilischote würzen.
Im auf 200 Grad vorgeheizten Backofen 30-40 Minuten garen lassen. 15 Minuten vor Ende der Garzeit den zerteilten Mozzarella auf den Tomaten verteilen.
Brennnessel-Lasagne: lecker duftend kommt sie aus dem Ofen
Die Lasagne noch kurz außerhalb des Ofens ruhen lassen – dann lassen sich die einzelne Stücke leichter anschneiden.
Sehr lecker – und geschmacklich nicht viel anders als Spinat-Lasagne.
Optisch kommt die Lasagne auf dem Teller etwas wild daher… dafür schmeckt sie umso leckerer.
Leben und Arbeiten in der wendländischen Diaspora: Das Leben in der Provinz hat einiges für sich. In diesem privaten Blog sammle ich alle Pluspunkte – und auch einige der weniger guten Seiten des Landlebens. Kulturtante Wendland
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