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Erixx, lass uns Freunde sein

Spontan vermisse ich die früher oft kaum verständlichen Ansagen des Zugführers: „Näxta Halt nuschel, Ausstieg in nuschel links“. Jetzt heißt uns stattdessen eine Stimme aus der Konserve in „erixx, der neuen Wendlandbahn“ willkommen.

Seit dem 14. Dezember letzten Jahres gilt der deutlich günstigere Tarif des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) nicht mehr nur bis Göhrde, sondern bis nach Dannenberg Ost. Mehr noch: Anstelle der altgedienten Triebwagen der „Doitschen Barn“, wie Berufspendlerin Frau Landgeflüster sagen würde, bedient nun der neue Triebwagen Lint 54 des privaten Unternehmens erixx die Strecke zwischen Dannenberg und Lüneburg.

Lange nicht mehr gehabt: munteres Treiben auf dem Bahnsteig Dannenberg Ost

Lange nicht mehr gehabt: munteres Treiben auf dem Bahnsteig Dannenberg Ost

Ein Feiertag für das Wendland! Der Generalanzeiger rief kürzlich sogar ein „neues Zeitalter“ aus. Eine Euphorie, die jemand, der nicht hier lebt, vermutlich kaum nachvollziehen kann. Zur Erinnerung: Die Linie von „Lüneburg West“ nach „Dannenberg Ost“ ist die letzte verbliebene aktive Bahnlinie im Wendland. Der Fahrgastrat Wendland und andere haben sich seit Jahren für eine Ausweitung des HVV-Gebiets bis in die Tiefen der wendländischen Provinz eingesetzt.

„Bimmelbahn adé“ jubelt auch mein früherer Kollege Simon in seinem frisch geschlüpften Blog „Mein Wendland“. Und freut sich, dass man nun „für 8,60 € vom Arsch der Welt zum Tor zur Welt“ reisen kann. Recht hat er.

Die Tage der Bimmelbahn sind also gezählt. Eine Bummelbahn – mit „u“ – ist die neue Wendlandbahn allerdings weiterhin. Im gemächlichen Tempo von maximal 6o Stundenkilometern und weiterhin im gemütlichen 3-Stunden-Takt pendelt die neue wie die alte Wendlandbahn zwischen Dannenberg Ost und Lüneburg hin und her.

Zwei Freundinnen stecken während der Zugfahrt die Köpfe zusammen

Zwei Freundinnen stecken während der Zugfahrt die Köpfe zusammen

Die eine genießt’s: das Vorbeiziehen der grünen Landschaft rechts und links – mit einem Kaffeebecher in der Hand und der Elbe-Jeetzel-Zeitung auf den Knien.

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Der andere nutzt die gute Stunde bis Lüneburg zum Checken seiner E-Mails, denn auch Saft für Laptop oder Handy gibt es.

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Wieder andere relaxen mit Fastfood und hypnotisieren während der gesamten Fahrt ihr Handy.

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Mein persönliches Highlight – abgesehen vom erheblich vergünstigten Fahrpreis (Dannenberg Ost bis Lüneburg: 3,10 Euro): Anstelle der kurbelartigen Griffe an den Türen, auf die man sich oft mit vollem Körpereinsatz werfen musste, um die Tür aufstemmen zu können, genügt zum Öffnen der Türen fortan ein schlichter Knopfdruck.

Neu ist auch, dass es am Bahnsteig nun einen Fahrkartenautomaten gibt; der Schalter im Bahnhofsgebäude soll dagegen zu Ende Januar dichtgemacht werden. Als ich kurz vor Weihnachten zum ersten Mal mit erixx gefahren bin, funktionierte der neue Fahrkartenautomat noch nicht. Also doch fix zum Schalter im Bahnhofsgebäude, um dort ein Ticket zu besorgen.

Und heute? Am Automaten wartete bereits eine lange Schlange.

Eine lange Schlange und Ratlosigkeit am Ticket-Automaten: Zahlen geht nur noch mit Karte

Eine lange Schlange am Ticket-Automaten – es herrscht Ratlosigkeit: Denn zahlen kann man nur noch mit Karte.

Wird es aufgrund der gestiegenen Nachfrage etwa schon jetzt Zeit für einen weiteren Automaten? Vielleicht. Der andere Grund war: Der Automat wollte keine Münzen oder Scheine mehr schlucken, sondern verlangte Kartenzahlung. Also doch wieder zum Schalter. Gut, dass ihn noch gibt.

Noch fremdle ich ein wenig, wenn’s um meinen neuen Freund Erixx geht. Er ist so ein Geschniegelter. Ein Schwiegermuttertyp. Ein ganz Anständiger. Jedenfalls tut er so. Ob man so einem trauen kann?

„Entscheidend wird jetzt die Nachfrage sein“, stellt Simon in seinem Bimmelbahn-Beitrag richtigerweise fest. Nur wenn die neue Wendlandbahn hinreichend genutzt wird, besteht die Chance, dass die Strecke weiter ausgebaut wird, damit das Fahrtempo erhöht werden kann. Nur wenn die Nachfrage da ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der 3-Stunden-Takt aufgestockt wird.

Darum: Okay, Erixx, lass uns Freunde sein!

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It’s all over now, baby blue – Keine Reaktivierung alter Bahntrassen im Wendland

Ameisenhaufen auf den Gleisen- die Besetzung von Bahngleisen hat im Wendland eine gewisse Tradition…

Was machen die nur, wenn hier demnächst wieder regelmäßig Züge fahren?

Das fragte ich mich vor wenigen Wochen, als ich bei einem Sonntagsspaziergang diesen beeindruckenden Haufen entdeckte, den sich ein Ameisenstaat direkt auf den Gleisen der stillgelegten Bahnstrecke Dannenberg – Lüchow errichtet hatte.

Dannenberg Ost

Wenig Tage vorher war bekannt geworden, dass das niedersächsische Verkehrsministerium das “Reaktivierungspotential” von rund 58 stillgelegten Bahntrassen überprüfen will – auch Lüchow-Dannenberg stand auf der Liste.

Seit heute abend steht fest: Lüchow-Dannenberg ist raus. Zu den Gründen ist noch nichts bekannt. Zu teuer? Zu wenige Fahrgäste? Zu wenig Anschlüsse an das bestehende Bahnnetz? Wahrscheinlich eine Kombination aus genau diesen drei Punkten.

Immerhin: Es bleibt eine Einspruchsfrist bis zum 26. Oktober. Ob es Landkreis und Samtgemeinden gelingt, die Bedeutung der Bahnstrecken für unsere Region herauszustellen? Und wichtiger noch: Einfluss zu nehmen auf die Ausgestaltung des Kriterienkatalogs? Denn wenn es schlicht nach Rentabilitätskriterien geht, muß Lüchow-Dannenberg im Vergleich mit anderen Regionen zwangsläufig außen vor bleiben.

Unterwegs auf den Gleisen von Dannenberg West nach Dannenberg Ost

Dass diese Ecke Niedersachsens nicht unbedingt ganz oben auf der Liste stand, war klar. Dennoch: Ich, Bahn-Romantikerin, sah mich schon allmorgendlich in Dannenberg West in den Zug gen Lüchow steigen, um zu meinen Arbeitsort zu pendeln. Ich machte einen ausgedehnten Spaziergang auf den Gleisen und dachte – albernerweise – : Das ist vielleicht das letzte Mal – das nächste Mal fahre ich. Ich sage ja: Romantikerin.

Einige wenige Fotos von meinen „letzten“ Spaziergängen auf den stillgelegten Gleisen gibt es hier und dann auch noch hier.

 
 

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