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Fundstück Nr. 17 – Tourismusarchäologie im Wendland

Wanderkarte Dannenberg West

Vergessen abzuschrauben? Infotafel mit der historischen „Wanderkarte Dannenberg/West Karwitz“

Ich begründe hiermit die neue Disziplin der „Tourismusarchäologie“: Selten, aber manchmal eben doch noch, finden sich in der Landschaft verwitterte, bemooste, oft völlig unleserliche Relikte früherer Tourismusaktivitäten.

Als Tourismus noch “Fremdenverkehr” hieß, bis irgendwann in den 1980er Jahren, führten Wanderwege im Wendland offensichtlich auch gerne einmal durch reine Wohnsiedlungen. Dieses verwitterte Relikt mit der abblätternden „Wanderkarte Dannenberg / West Karwitz“ steht bis dato am Dannenberger Schützenhaus.

Am Schützenhaus Dannenberg

Am Schützenhaus Dannenberg, rechts im Bild das Fundstück in der Rückansicht

Der Ortsteil “Dannenberg West” ist eine reine Wohngegend. Und auch die Orte bzw. Ortsteile Karwitz, Thunpadel, Lebbien oder Prisser zählen heute nicht mehr zu den touristischen Highlights. Wahrscheinlich, nein, mit Sicherheit taten sie das nie. Und doch liegen sie an in der Karte eigens ausgewiesenen Wanderwegen.

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Die Wanderwege (rot gepunktet dargestellt) dieser Karte führen den Wanderer durch reine Wohnstraßen aus den 1970ern, vorbei am jüdischen Friedhof Prisser (der heute in keiner Wander- oder Radwanderkarte der Elbtalaue-Wendland Touristik mehr auftaucht), vorbei am (heute touristisch ebenfalls völlig vergessenen) Naturschutzgebiet “Maujahn” und über weite Strecken durch die unfassbar nichtssagende Feldmark zwischen Schmarsau und Streetz. Immerhin: Am Streetzer Berg an der B 216 findet sich der (mickrige) Streetzer Aussichtsturm – der im Netz bis heute irgendwo als „Natursehenswürdigkeit“ ausgewiesen wird. Aber auch er stammt noch aus einer Zeit, als für den Tourismus resp. Fremdenverkehr viel (zu viel?) Geld über war. Und aus einer Zeit, als die Grenze des Naturparks (dick grau schraffiert) westlich von Dannenberg in Nord-Süd-Richtung verlief. Von wann ist diese Karte?

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Tourismus im Wandel der Zeit. Aus heutiger Sicht seltsam fremd. Ich wüsste gern mehr darüber.

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Erixx, lass uns Freunde sein

Spontan vermisse ich die früher oft kaum verständlichen Ansagen des Zugführers: „Näxta Halt nuschel, Ausstieg in nuschel links“. Jetzt heißt uns stattdessen eine Stimme aus der Konserve in „erixx, der neuen Wendlandbahn“ willkommen.

Seit dem 14. Dezember letzten Jahres gilt der deutlich günstigere Tarif des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) nicht mehr nur bis Göhrde, sondern bis nach Dannenberg Ost. Mehr noch: Anstelle der altgedienten Triebwagen der „Doitschen Barn“, wie Berufspendlerin Frau Landgeflüster sagen würde, bedient nun der neue Triebwagen Lint 54 des privaten Unternehmens erixx die Strecke zwischen Dannenberg und Lüneburg.

Lange nicht mehr gehabt: munteres Treiben auf dem Bahnsteig Dannenberg Ost

Lange nicht mehr gehabt: munteres Treiben auf dem Bahnsteig Dannenberg Ost

Ein Feiertag für das Wendland! Der Generalanzeiger rief kürzlich sogar ein „neues Zeitalter“ aus. Eine Euphorie, die jemand, der nicht hier lebt, vermutlich kaum nachvollziehen kann. Zur Erinnerung: Die Linie von „Lüneburg West“ nach „Dannenberg Ost“ ist die letzte verbliebene aktive Bahnlinie im Wendland. Der Fahrgastrat Wendland und andere haben sich seit Jahren für eine Ausweitung des HVV-Gebiets bis in die Tiefen der wendländischen Provinz eingesetzt.

„Bimmelbahn adé“ jubelt auch mein früherer Kollege Simon in seinem frisch geschlüpften Blog „Mein Wendland“. Und freut sich, dass man nun „für 8,60 € vom Arsch der Welt zum Tor zur Welt“ reisen kann. Recht hat er.

Die Tage der Bimmelbahn sind also gezählt. Eine Bummelbahn – mit „u“ – ist die neue Wendlandbahn allerdings weiterhin. Im gemächlichen Tempo von maximal 6o Stundenkilometern und weiterhin im gemütlichen 3-Stunden-Takt pendelt die neue wie die alte Wendlandbahn zwischen Dannenberg Ost und Lüneburg hin und her.

Zwei Freundinnen stecken während der Zugfahrt die Köpfe zusammen

Zwei Freundinnen stecken während der Zugfahrt die Köpfe zusammen

Die eine genießt’s: das Vorbeiziehen der grünen Landschaft rechts und links – mit einem Kaffeebecher in der Hand und der Elbe-Jeetzel-Zeitung auf den Knien.

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Der andere nutzt die gute Stunde bis Lüneburg zum Checken seiner E-Mails, denn auch Saft für Laptop oder Handy gibt es.

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Wieder andere relaxen mit Fastfood und hypnotisieren während der gesamten Fahrt ihr Handy.

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Mein persönliches Highlight – abgesehen vom erheblich vergünstigten Fahrpreis (Dannenberg Ost bis Lüneburg: 3,10 Euro): Anstelle der kurbelartigen Griffe an den Türen, auf die man sich oft mit vollem Körpereinsatz werfen musste, um die Tür aufstemmen zu können, genügt zum Öffnen der Türen fortan ein schlichter Knopfdruck.

Neu ist auch, dass es am Bahnsteig nun einen Fahrkartenautomaten gibt; der Schalter im Bahnhofsgebäude soll dagegen zu Ende Januar dichtgemacht werden. Als ich kurz vor Weihnachten zum ersten Mal mit erixx gefahren bin, funktionierte der neue Fahrkartenautomat noch nicht. Also doch fix zum Schalter im Bahnhofsgebäude, um dort ein Ticket zu besorgen.

Und heute? Am Automaten wartete bereits eine lange Schlange.

Eine lange Schlange und Ratlosigkeit am Ticket-Automaten: Zahlen geht nur noch mit Karte

Eine lange Schlange am Ticket-Automaten – es herrscht Ratlosigkeit: Denn zahlen kann man nur noch mit Karte.

Wird es aufgrund der gestiegenen Nachfrage etwa schon jetzt Zeit für einen weiteren Automaten? Vielleicht. Der andere Grund war: Der Automat wollte keine Münzen oder Scheine mehr schlucken, sondern verlangte Kartenzahlung. Also doch wieder zum Schalter. Gut, dass ihn noch gibt.

Noch fremdle ich ein wenig, wenn’s um meinen neuen Freund Erixx geht. Er ist so ein Geschniegelter. Ein Schwiegermuttertyp. Ein ganz Anständiger. Jedenfalls tut er so. Ob man so einem trauen kann?

„Entscheidend wird jetzt die Nachfrage sein“, stellt Simon in seinem Bimmelbahn-Beitrag richtigerweise fest. Nur wenn die neue Wendlandbahn hinreichend genutzt wird, besteht die Chance, dass die Strecke weiter ausgebaut wird, damit das Fahrtempo erhöht werden kann. Nur wenn die Nachfrage da ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der 3-Stunden-Takt aufgestockt wird.

Darum: Okay, Erixx, lass uns Freunde sein!

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Elvis is back! – Postmortaler Auftritt in Lüchow

Elvis is back - Auftritt im Kreishaus Lüchow

Elvis is back – Auftritt im Kreishaus Lüchow

Es ist Zeit für eine Messingtafel am Lüchower Kreishaus: “Hier feierte King Elvis Aaron Presley am 17. Oktober 2014 sein fulminantes Comeback!”

Und Marilyn Monroe war auch da. Und die Supremes. Und Flip – genau: der Grashüpfer aus “Biene Maja”.

Elvis the pelvis und Grashüpfer Flip

Elvis the pelvis und Grashüpfer Flip

So erlebt im Rahmen des Auftaktes von “Puppets for People”, dem 3. Internationalen Marionettenfestival Lüchow-Dannenberg.

Grashüpfer Flip

Grashüpfer Flip

Im Kreishaus fand vergangenen Freitag die erste von insgesamt 30 Figurentheater-Aufführungen statt. Die Bude war voll – bis auf den letzten Platz. Und das Altersspektrum reichte geschätzt von zwei bis Mitte/Ende 80. Für eine gute Stunde bot das „Schnupperprogramm“ einen (wie ich finde) großartigen Querschnitt durch das kommende Festivalangebot. Und ich erinnerte mich an meine alte tiefe Liebe zu Grobi, Kermit und dem schnöseligen Herrn von Bödefeld…

Fachdienstleiterin Dagmar Schulz trifft auf Elvis

Ein historischer Moment: Fachdienstleiterin Dagmar Schulz trifft auf Elvis

Nicht so prominent wie Elvis & Co., aber ebenfalls eins der Highlights war der Auftritt von Willi, einem grantelndem Kettenraucher – alias Jens Heidtmann.

Kettenraucher Willi alias Jens Heidtmann

Kettenraucher Willi alias Jens Heidtmann

Er sinnierte unter anderem über die Zeit als “eine Nacht noch drei Mädels lang war – okay, zweieinhalb!” Kann man sich auf youtube.de noch einmal anzusehen:

 

Das Festival läuft übrigens noch bis zum 26. Oktober. Wer die Gelegenheit hat, sollte unbedingt versuchen, sich eine oder zwei Aufführungen ansehen. Denn dieses besondere Festival findet nur alle paar Jahre statt. Das komplette Programm gibt es unter www.marionettenfestival.de.

Festivalleiter Fortmann + Flip

Festivalleiter Manfred Fortmann gibt Grashüpfer Flip, einem von drei „Walking Acts“, letzte Anweisungen.

Mehr Fotos vom Auftakt im Kreishaus gibt es hier.

 

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Fundstück Nr. 16

Friseur

Aufgegebener Friseurladen in Gartow (Elbe)

Hilfe, ich war stolz wie Bolle [wer zum Teufel ist Bolle?], als ich vor einigen Monaten in Schnackenburg, im östlichsten Zipfel des Wendlands, einen wahren Frisier-Monopolisten entdeckte.

Einen, der es nicht nötig hatte, seinem Laden einen eher peinlichen als fantasievollen Namen zu verleihen. Der sich stattdessen darauf beschränkte, sein Geschäft mit dem schlichten Hinweis „Friseur“ zu versehen.

Heute stieß ich auf einen weiteren Vertreter dieser Spezies: im wenige Kilometer entfernten Flecken Gartow. Sind diese Fantasienamen à la „Hair Style“ und „Uschis Olymp“ vielleicht tatsächlich erst Erfindungen der 1980er – so mein Gefühl? Wikipedia meint, erst um die Jahrtausendwende sei die Mode aufgekommen, Salonnamen mit Wortspielen zu wählen.

Das Schöne an diesem – offensichtlich nicht mehr in Betrieb befindlichen – Laden in Gartow ist aber noch etwas anderes. Der Laden verfügt über zwei Türen. Links geht es in den „Herren-Salon“, rechts in den „Damen-Salon“.

Friseurladen in Gartow

Herr oder Dame oder…

Friseurladen in Gartow

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Das waren noch Zeiten, als man noch wußte, wo man hingehört…

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Fundstück Nr. 14

Straßenschild mit der Aufschrift "Hier ging August Barge"

Straßenschild mit der Aufschrift „Hier ging August Barge“

Wer zum Teufel war August Barge?

Heute morgen stand ich zum ich-weiß-nicht-wievielten-Male rätselnd unter diesem Blechschild im “Schiffergang” in Hitzacker und las: “Hier ging August Barge”. Wer war August Barge? Und wie oft muß er den “Schiffergang” in Hitzacker entlang gelaufen sein, bis jemand auf die Idee kam, ihn an Ort und Stelle mit einem eigenen Blechschild zu verewigen?

Im Museum Altes Zollhaus Hitzacker in der benachbarten Zollstraße erhielt ich vom Museumsleiter die – unspektakuläre – Antwort. Demnach war August Barge ein Hitzackeraner “Unikum”, von dem bis heute einige wilde Geschichten und Bonmots im Umlauf sind – Freunde von ihm setzten ihm mit dem Namensschild aus Jux ein kleines Denkmal.

Am bekanntesten – und bis heute immer wieder gern zitiert – ist Barges Urteil über die Stadtoberen Hitzackers: “Hier regeern de Apen”, auf hochdeutsch: Hier regieren die Affen.

Der Schiffergang geht von der Elbstraße ab und führt zum Jeetzel-Anleger / Hiddo-Steg.

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