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Das Wendland-so-nett

Wendland-so-nett

Aus dem grellen Sommerlicht in das kühle Halbdunkel der Ausstellung „Das Wendland-so-nett“

„Warum habt ihr eure Ausstellung denn so sakral angelegt?“ hörte ich einen irritierten Ausstellungsbesucher am Infostand des Wendland-Regionalmarketings fragen. Er kam gerade aus der Ausstellung „Das Wendland-so-nett“ in der Scheune des Herrenhauses Salderatzen.

Zur Kulturellen Landpartie zeigte das Wendland-Regionalmarketing hier eine Ausstellung, deren Titel sich bei dem bekannten Gedicht „Schöne Gegend für Lyrik oder Wendland-so-nett“ von Axel Kahrs bedient, das nur aus Ortsnamen besteht. Der Ausstellungs-Untertitel „Niedersachsens wilder Osten“ erinnert an ein gleichnamiges NDR-Filmchen über die Region. Anliegen der Ausstellung sollte sein, die Besucher der Kulturellen Landpartie zum Wiederkommen auch außerhalb der KLP zu animieren.

„Sakral? Wieso sakral?“ fragte ich mich, bevor ich die Schwelle zur Ausstellung übertrat. Aber tatsächlich: Wer schon einmal nach Stunden im gleißenden Sonnenlicht in, sagen wir, Paris oder Köln das dunkle, kühle Notre Dame bzw. den Kölner Dom betreten hat, kennt diesen unvermittelten Hüpfer Richtung Moll, den Gemüt und Sinne im plötzlichen Halbdunkel der gotischen Gotteshäuser vollziehen. Nicht anders in Salderatzen.

Wendland-so-nett

Eine wendländische Variante von Neo-Gotik?

Es braucht dann immer erst einmal einen Augenblick der Orientierung bis man die wenigen Lichtquellen im Raum geortet hat: im Kölner Dom sind es die hohen schmalen Fenster, durch deren buntes Glas das Sonnenlicht fällt. Nicht anders in Salderatzen: lange schmale Banner, von Spots angestrahlt, umrahmten die Ausstellungsszenerie. Schönste Neo-Gotik.

Traditionell zielte diese Art der Raumgestaltung darauf ab, den sündigen Kirchgänger Demut zu lehren angesichts der Allmacht Gottes. Und in Salderatzen? Passt das zu einer Ausstellung, die eine Liebeserklärung an eine Region sein könnte?

Wendland-so-nett

Das Äquivalent zu gotischen Kirchenfenstern – von Spots beleuchtete Banner

Auf den Bannern fanden sich natürlich keine biblischen Szenen. Stattdessen listeten die Banner in textlicher Form unter anderem regionale Produkte („Voelkel“), Kulturorte („Schubertiaden“) oder landschaftliche Besonderheiten („Elbholz“) auf. Eine umfangreiche Zusammenstellung. Da hat sich jemand viel Arbeit gemacht. Und dennoch: Kann wer das Wendland (noch) nicht kennt, mit diesen Stichworten überhaupt etwas anfangen, sich darunter etwas vorstellen? Die Steinmetze der Gotik waren da pfiffiger: Weil sie wussten, dass die wenigsten Menschens des Lesens mächtig waren, bildeten sie Biblisches in bildlicher Form ab. Vielleicht hätten die Ausstellungsmacher von „Das Wendland-so-nett“ sich daran ein Beispiel nehmen sollen.

Im Zentrum der Szenerie einige hölzerne Liegen, die viele KLP-Besucher mit ihren müden Füßen gerne sofort enterten. „Total unbequem!“ maulte meine Teilzeit-Mitbewohnerin zwar, blieb dennoch eine ganze Weile ermattet liegen. Dieses Ausstellungselement gefiel mir. Denn es machte unmittelbar körperlich anschaulich, dass Urlaub im Wendland gleichbedeutend sein kann mit „Ausschnaufen“, Zur-Ruhe-Kommen, Abstand-finden vom Alltagstrott, -trubel und-rhythmus.

Wendland-so-nett

Einfach mal ausstrecken – auch das bot die Ausstellung „Das Wendland-so-nett“.

Auf zwei Monitoren wechselten sich Fotos aus der Region ab. Seltsam, abgesehen von einem Bild eines Schützenumzugs kann ich mich nicht erinnern, was die Bilder zeigten. Ich war scheinbar zu sehr damit beschäftigt, die weiteren schattigen Ecken der neogotischen Wendland-Scheune zu erkunden.

Und ich war abgelenkt von den wechselnden Geräuschen, die über Lautsprecher liefen: eine Motorsäge, die mich fast dazu gebracht hätte, den Ort des Geschehens sofort wieder zu verlassen. Ein Specht. Ein Spielmannszug. Erst als ich die Stimme von Christa Tornow aus den Lautsprechern hörte, wie sie Kahrs‘ „Wendland so nett“ rezitierte, war ich entschieden: Okay, ich bleibe noch einen Augenblick.

Außerdem zu sehen: ein ausgestopfter Biber. Und ein Modell des legendären Sofa-Flosses. Ein Tisch, auf dem ein paar Möhren, ein kleiner Sack Kartoffeln und eine Zucchini lagen, sollte möglicherweise – auf sehr minimalistische Weise – die Bedeutung der landwirtschaftlichen Produktion im Wendland verdeutlichen. Oder standen diese hingeworfenen Gemüse doch für etwas gänzlich anderes, das ich Ahnungslose nicht erfasst habe?

Wendland-so-nett

Dieses minimalistische Gemüse-Stillleben mit Apfel machte mich ein klein wenig ratlos.

Ein besonderes Austellungselement war ein Mobile, das an exponierter Stelle von der Decke hing.

 Wendland-so-nett

Vielfalt und Buntheit im Gleichgewicht – ein Mobilé in der Ausstellung

An dem Mobilé hingen kleine Kärtchen mit Schlagworten, Redewendungen und ähnlichem, mit denen verschiedene Angebote in Lüchow-Dannenberg aktuell beworben werden. Für den Nicht-Wendländer vermutlich ein ziemliches Mysterium. Für den kundigen Wendländer veranschaulichte das Mobilé die besondere Herausforderung, die es für ein Regionalmarketing bedeuten kann, die Vielzahl von Angeboten und Interessen zusammenzuführen und im Gleichgewicht zu halten – quasi ein Blick hinter die Kulissen des Wendland Regionalmarketings und ähnlicher Aktiver. Spannend. Aber was interessiert das den Gast?

Spätestens an dieser Stelle realisierte ich, dass die Ausstellung, wenn nicht im Rahmen des Tourismusmarketings, dann doch zumindest als „Werkstatt-Ausstellung“, als „Arbeitsschau“ funktioniert für diejenigen, die sich aktuell mit einer eventuellen Neustrukturierung des Tourismusmarketings in der Elbtalaue und im Wendland befassen – und mit all den wichtigen Fragen, die sich darüberhinaus darum ranken, wie man neue Unternehmen und Fachpersonal in der Region ansiedeln kann.

Darum könnte mein Resümee dieses Ausstellungsbesuchs vielleicht lauten: angestrebtes Thema verfehlt, angestrebte Zielgruppe nicht erreicht, aber für die interne Arbeit wichtige Fragen aufgeworfen.

Zugegeben: Was verstehe ich schon von Regionalmarketing?

 

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Fundstück Nr. 13 – Tierisches Wendland

Vorsicht freilaufender Bulle

Vorsicht freilaufender Bulle – Schild bei Penkefitz

Manchmal frage ich mich schon, wo ich hier lebe. Wo die unschuldigste Radlerin unvermittelt einem frei laufenden Bullen gegenüber stehen könnte.

Wo vor die Straße querenden Fröschen gewarnt wird.

Frosch quert

Achtung, Frosch quert! – Warnschild bei Penkeftz

Und während andere Landkreise sich über einen Autobahn-Zubringer freuen (oder eben auch nicht), haben wir einen Zubringer zu einer Amphibien-Route. Da muß man auch erst mal drauf kommen.

Zubringer

Zubringer zur Froschautobahn bei Dannenberg

Schräge Ecke hier.
Irgendwie.

 

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Fundstück Nr. 12

Birken auf Gehweg

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Wer sagt denn, dass Bäume einen Weg immer schön schier rechts und links säumen müssen?

An der Dannenberger Tagesklink der Psychiatrischen Klinik Uelzen hat man sich jedenfalls für eine andere Variante entschieden: Hier stehen die Birken mitten auf dem Weg.

Birken auf Gehweg

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Gepflanzter Wink mit dem Zaunpfahl, dass Regeln dazu da sind, gebeugt zu werden (à la „Make your own rules“)? Oder Symbol für die unerwarteteten Hindernisse, die einer auf dem (Lebens-)Weg immer wieder begegnen können? So oder so, wer auf diesem Weg spazieren geht, lernt schnell das vielleicht Wichtigste: “Immer schön geschmeidig bleiben!”

In der Nachbarschaft der psychiatrischen Klinik gibt es noch ein anderes Beispiel ungewöhnlicher Gartengestaltung.

Garten für Demenzkranke

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Vor der sorgsam umzäunten Seniorenresidenz “Jeetzelgarten” des DRK steht ein Auto, immer dasselbe, und es steht dort Tag und Nacht. Daneben: eine Bushaltestelle mit kleinem Wartehäuschen. Doch ein Bus hält hier nie… Wenn ich das richtig verstanden habe, ist diese Schein-Haltestelle speziell an die Bedürfniss dementer Menschen angepasst – mehr dazu hier.

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Fundstück Nr. 11

Engel auf Haus am St-Annen-Friedhof Dannenberg

Schlafender Engel auf dem Haus Lüchower Straße 2 am St.-Annen-Friedhof Dannenberg

Es musste wohl erst Karfreitag werden, damit ich heute vormittag auf einem Wohnhaus nahe des Dannenberger Prochaskaplatzes diesen kleinen schlafenden Engel entdecken konnte.

Keine Ahnung, wie oft ich in den letzten 40 Jahren an diesem Haus schon vorbeigekommen bin, ohne die kleine Engelsfigur zu bemerken… Bemerkenswert ist – unübersehbar – auch das Haus selbst, das direkt an den seit langem nicht mehr genutzten St.-Annen-Friedhof grenzt. Heute ist es ein Wohnhaus. Hatte es ursprünglich eine andere Funktion?

Haus am St.-Annen-Friedhof Dannenberg

Der Engel ruht auf dem Dachfirst der dem Friedhof zugewandten Giebelseite.

Lange dachte ich Ahnungslose, dieses Gebäude sei die frühere Friedhofskapelle gewesen – auch der schlafende Putto hätte ja ein Hinweis darauf sein können. Aber die Kapelle des St. Annen-Friedhofs wurde schon 1874 abgerissen. Die letzten Bestattungen auf dem Friedhof waren schon drei Jahre vorher erfolgt. Bei der Kapelle soll auch ein Schulhaus gestanden haben. 1805 wurde es aufgegeben.* Wurde das Schulhaus damals ebenfalls abgerissen?

Haus am St.-Annen-Friedhof Dannenberg

Die ungewöhnliche Giebelseite des Hauses von der Straßenseite aus.

Mehr als 300 Jahre lang – mindestens seit 1510 – wurde auf dem St.-Annen-Friedhof die Verstorbenen der Dannenberger Vorstadt Lauben und der umliegenden Dörfer bestattet, ab Beginn des 19. Jahrhunderts auch die der Stadt selbst (letztere waren bis dahin auf dem Kirchhof der St. Johannis-Kirche bestattet worden). Schon 1871 gab man den St.-Annen-Friedhof jedoch auf: vermutlich, weil der Platz langsam knapp wurde und – wichtiger noch – weil man durch die wiederkehrenden Hochwasser der Jeetzel mit seuchenhygienischen Problemen rechnete. Seitdem wird nur noch der außerörtliche Friedhof Lüggau genutzt, bis heute.**

Der St.-Annen-Friedhof steht heute unter Denkmalschutz.

 

* Berndt Wachter: Dannenberg in alten Ansichten, Band 1. Europäische Bibliothek. 1990.

** Rolf Meyer & Norbert Fischer: Tod an der Elbe: Über Friedhöfe und Grabmäler im Wendland… In: Ohlsdorf – Zeitschrift für Trauerkultur, Nr. 118, III, August 2012

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Möhrchen & Wetterfahnen

„Möhrchen brauchen Wind“,  lernte ich  gestern von einer Wustrower Gartenfreundin. Wenn kein Wind weht, dann werden die Möhren gnadenlos von irgendwelchen Tierchen kaputt gefressen, lautet die These. 

Gartenlos wie ich bin, ist der praktische Nutzen der Wind-Möhrchen-Theorie für mich gleich null. Dennoch: Auf dem Heimweg von dem sonntäglichen Arbeitstreffen in Wustrow achtete ich auf den Wind. Wehte überhaupt welcher?

Kaum hatte ich mich aufs Fahrrad geschwungen, fiel mir der erste „Windrichtungsgeber“, besser bekannt als Wetterfahne, auf dem First der Bahnhofsstraße 4 auf. Bis zu meinem Zielort Dannenberg sollten einige weitere folgen…

Bahnhofstraße 4 in Wustrow (Wendland)

Erst mal näher ranzoomen: Kein Wetterhahn, sondern ein kleines Männlein mit Käppi, das einen Schlüssel in der Hand hält, dazu die Initialen „T. I.“, steht dort oben auf dem Dach.

Wetter-Männlein mit Schlüssel auf dem Haus Bahnhofstraße 4 in Wustrow

Gleich um die Ecke auf dem Dach der denkmalgeschützten früheren Fabrikantenvilla in der Langen Strasse, in der seit bald 30 Jahren das Museum Wustrow untergebracht ist, weht leider keine Wetterfahne.

Museum Wustrow in der Langen Straße 9

Dafür werden die beiden schmucken Mansarden mit Metallelementen betont, die kopflos gesprengten Tulpen ähneln.

Kopflose Tulpe auf dem Dach des Museums Wustrow

Am Fehl und der Villa Wendland vorbei radelte ich einen kleinen Schlenker über Güstritz. Gleich an der Einfahrt zum Rundling hat jemand seine Leidenschaft für die Jagd auf der Wetterfahne verewigt.

Güstritz Nr. 19

Der fröhliche Hund gefällt mir.

Jäger mit Hund auf dem Dach des Hauses Güstritz Nr. 19.

Auf dem Stallgebäude der Schäferei in Jeetzel

Stallgebäude der Schäferei in Jeetzel

…steht – natürlich – ein weithin sichtbares wollweißes Wetter-Schaf.

Wetter-Schaf der Schäferei Jeetzel

In Lüchow dominieren die Jahreszahlen: in der Bergstraße 36/37, einem Teil des Gebäudekomplexes des früheren „Traditionskaufhauses“ F. Hettig, …

Dachfirst des früheren Kaufhauses Hettig

…ist es die 1907.

15b Lüchow_Hettig

Wetterfahne von 1907 auf dem früheren Kaufhaus Hettig

Auf dem Gebäude des Ratskellers Lüchow weht eine ungewöhnlich geformte Fahne: Ist es eine Welle? Ein Schiff? Ein Schnabelschuh?

Wetterfahne auf dem Ratskeller Lüchow

Oder schlicht eine stilisierte Flagge? Schmuck ist der achtzackige Stern an der Spitze.

Wetterfahne auf dem Ratskeller Lüchow

Ganz ähnlich sieht die Wetterfahne auf dem Glockenturm aus. Sie trägt die Jahreszahl 1817. Beide Fahnen datieren also nur kurze Zeit nach dem schlimmen Feuer, den die Stadt Lüchow 1811 erlebte. War es nicht sogar so, dass nur der Amtsturm und der Glockenturm den Brand damals überstanden?

Wetterfahne auf dem Glockenturm in Lüchow

Und noch eine letzte Wetterfahne kam mir in Lüchows Langer Straße vor die Linse…

Wetterfahne in der Langen Straße in Lüchow

*

Hier hat sich jemand – vielleicht der Erbauer? – mit seinen Initialen ein Denkmal gesetzt.

Wetterfahne in der Langen Strasse in Lüchow

Auf dem weiteren Weg von Lüchow nach Dannenberg fielen mir keine Wetterfahnen auf, was vermutlich eher meiner nach der Winterpause etwas maroden Kondition zuzuschreiben ist. In die Pedale strampeln und weiteratmen erforderte möglicherweise meine volle Konzentration. Erst in Dannenberg angekommen hatte ich wieder Augen für die Besonderheiten am Wegesrand.

Das hübsche Wetter-Schwein, das in der Langen Strasse in Dannenberg auf dem Dach einer Schlachterei steht, und der Wetterhahn gleich nebenan waren neulich im Blog Utasflow zu sehen. Aber ein letztes Tier darf in diesem Zoo der Wetter-Tiere natürlich nicht fehlen:

Wetter-Löwe auf dem Dach des Dannenberger Waldemarturms

Ein Wetter-Löwe steht auf der Spitze des mittelalterlichen Dannenberger Waldemarturms. Genauer gesagt ist es ein „steigender Löwe“. Dieser sich auf den Hinterbeinen aufrichtende Löwe ist das Wappentier des welfischen Fürstentums Lüneburg, zu dem Dannenberg ursprünglich gehörte.

To be continued…

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