Was soll ich sagen? Ich bin ab sofort Zwergen-Fan. Genauer: Fan der Hitzackeraner Zwerge. Vor allem der Musikanten-Zwerg Walter mit seiner Quetschkommode (siehe Foto weiter unten) hat es mir angetan. Ehrlich.
Was heute früh noch gänzlich abwegig schien, nämlich dass ich zärtliche Gefühle für diese Männer mittleren bis älteren Alters entwickle, die sich alberne rote Zipfelmützen aufsetzen und singend für ihr Heimatstädtchen Hitzacker werben, wurde Realität.

Die „Jungzwerge“ von Hitzacker: Keiner ist älter als 450 Jahre. Alle sind engagiert im Einsatz bei der Lese für das „Hidesacker Weinbergströpfchen“ 2013.
S. hat mich heute mit zum Weinlesefest am Weinberg Hitzacker geschleppt. Begleitung zur Weinlese gegen leckeren Pflaumenkuchen lautete die Abmachung. “Ich bin nicht freiwillig hier”, meinte ich der Organisatorin des Festes Marianne Baron noch mitteilen zu müssen, als wir ankamen. Merke: Allzu spontane Wortbeiträge sind nicht immer hilfreich, Frau Kulturtante. Und auch nicht lustig – auch wenn vielleicht so gemeint. Aber die Kollegin M.B. wußte es wohl richtig einzuordnen.
So gegen 10 Uhr hatten meine neuen Freunde, die Zwerge, damit begonnen, die 99 Rebstöcke auf einem der nördlichsten Weinberge Deutschlands abzuernten. Ein schönes Bild, inmitten der Reben vor herbstlicher Kulisse immer wieder die roten Zipfelmützen auftauchen zu sehen. Ich erfuhr im übrigen, dass es sich bei den heute in Hitzacker lebenden Zwergen ausschließlich um sogannte “Jungzwerge” handelt. Mehr zur neuen Geschichte der Zwerge von Hitzacker gibt es hier.
In früheren Jahren konnten aus dem Trauben-Most vom Weinberg Hitzacker jährlich nur rund 120 Liter “Hidesacker Weinbergströpfchen” gekeltert werden. Ob’s dafür diesmal überhaupt reicht? Viele Trauben machten einen eher traurigen Eindruck.

Der Weinberg Hitzacker: nicht nur einer der nördlichsten deutschen Weinberge, sondern wahrscheinlich auch der kleinste.

Die heutigen Zwerge von Hitzacker sind deutlich weniger menschen- und kamerascheu als ihre Vorfahren.
Nach einer guten Stunde waren die Reben abgeerntet und der Winzer Fritz-Leo Melsheimer konnte feststellen, dass es sich beim diesjährigen Most um eine Spätlese handelt.

Überwiegend Müller-Thurgau, Ortega, Kerner und Albalonga, aber auch Frühburgunder, Riesling und Silvaner wachsen auf dem Weinberg Hitzacker.
Bürgermeister Holger Mertins moderierte das Programm. Er, der dank seiner Knuddelfreudigkeit beim Besuch von Kanzlerin Merkel während des Juni-Hochwassers 2013 eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, hielt sich heute für seine Verhältnisse auffallend zurück. Geknuddelt wurde eher weniger. Dafür versprach er den Gästen vollmundig “Spätburgunder!” Er meinte wohl “Spätlese”.

Bürgermeister Holger Mertins mit der neuen Weinkönigin „Sina, die Bezaubernde“ und ihrer Vorgängerin von 2012 „Tetyana, die Weltoffene“ (v. l.).

Sie werben für die Nemitzer Heide, für Hitzacker (Elbe) und für Bad Bevensen – oder auch für Heide, Wein und Kartoffeln: Majestäten und königliche Hoheiten unter sich.
Attraktion des Tages waren und blieben aber die Zwerge – mal singend, mal Trauben erntend, dann wieder singend. Die gutgelaunten Jungs mit den roten Mützen legten sich heute ordentlich ins Zeug. Ganz ehrlich? Zwischendurch vergaß ich fast, dass diese Jungs normalsterbliche Menschen-Männer sind, die ihre roten Zwergenmützen nur zu besonderen Gelegenheiten aufsetzen.